Umgebautes Liechtenstein
Der Bau der letzten grossen Skilifte, des Tunnels in den Steg und sicherer Rheindämme liegen Jahrzehnte zurück. Wir holen die Visionen zurück, spinnen munter unsere eigenen dazu und setzen sie modellhaft um: Wie sähe das Land aus, wenn es hinter dem Kulm autofrei wäre? Wie wäre es mit einer neuen Seilbahn auf die Dreischwestern mit Panoramarestaurant? Oder gleich eine rund um Liechtenstein? Angelehnt an die Potentiale einzelner Dörfer werden temporäre VorsteherInnen ernannt und Potentiale für Dörfer Liechtensteins gesucht. Ein Gespräch über Wert und Potential der Landwirtschaftszone runden den Nachmittag ab.
«Ich sehe Liechtenstein als eine Stadt. Ich vergleiche es immer mit grösseren Städten, in denen ich schon gelebt habe. Peking hat ein ursprüngliches Zentrum und bis heute sieben weitere Ringe. Der fünfte Ring hat einen Radius von 16-17 Kilometer. Von Vaduz nach Feldkirch sind es 15 Kilometer, nach Sargans ebenfalls. In dieser Stadt haben wir eigentlich alles: den Rhein als Fluss, die Berge und Landschaft und die Siedlung. Wir haben die EU auf der einen Seite und die Schweiz auf der anderen Seite. Ich finde es sehr schön in Liechtenstein. Was mir hier fehlt, ist eine gewisse bauliche Dichte und die mit der Dichte verbundene Atmosphäre, also die dadurch entsteh-ende Infrastruktur und Kommunikation. Mein Wunsch für die Zukunft wäre, dass ich alle Dinge des täglichen Bedarfs in fussläufiger Distanz meiner Wohnung in Gamprin hätte. Im Quartier in dem meine Eltern in Peking leben, sind Restaurants, Kindergarten, Schulen, Bus- und Bahnhaltestellen etc. alle in 3-7 Minuten zu Fuss erreichbar. Ich kann alles ohne Auto, ohne Fahrrad zu Fuss erledigen. Dabei treffe ich dauernd Leute auf der Strasse — und diese Möglichkeit, diese Kommunikation und diese Infrastruktur wünsche ich mir auch für Liechtenstein.»


Präsentation der temporären VorsteherInnen und BürgermeisterInnen

Triesenberg

«Als temporäre Gemeindevertretung von Triesenberg würden wir den Skitourismus etc. abschaffen. Stattdessen möchten wir sanften Tourismus, also einen Nationalpark Liechtenstein. Skifahren gehen würden wir in der Schweiz und unser bewährtes Konzept, Ressourcen von anderen mit zu verwenden, auch in diesem Bereich als sehr erfolgsversprechend ansehen, um mit den bestehenden Interessenskonflikten umzugehen. Konkret würden wir zuerst das Tunnel schliessen und eine Bahn über den Kulm hinauf bauen. Die Hotels müssten sie halt etwas umgestalten für Leute, die das Wild oder Blumen anschauen wollen. Die Alpen würden wir noch ein bisschen bestossen, damit nicht alles zuwächst. Ein gewisser Grad an Eigenversorgung wäre uns wichtig und dafür bräuchten wir die Alpen. Das Ganze müsste natürlich mit der Schweiz und Österreich koordiniert werden. Ob als Land oder als Stadt, wir sind alleine nicht lebensfähig und müssen gemeinsam mit unseren Nachbarn Lösungen finden.»

Gamprin

«Gamprin ist ein klassisches Strassendorf. Es ist eine dieser Gemeinden, die sich der Strasse entlang schlängelt und nicht wirklich ein Zentrum hat. Das ist im ganzen Land ein Problem: Es gibt keine klaren Zentren und die ganze Siedlungsstruktur entwickelt sich an den Rändern weiter. Ich fände es für die Zukunft wichtig, dass man kleine urbane Zentren definiert und entwickelt, dass man öffentliche Bereiche schafft, wo die Nahversorgung gewährleistet ist.

Ein Ansatz könnte sein, die Grossabündt, die als Freizeitanlage bereits recht gut funktioniert, noch etwas auszubauen und vielleicht auch kulturell noch etwas entwickeln.
Im Dorfzentrum wäre es schön, wenn man dort eine gewisse Nahversorgung und öffentliche Räume hätte, wo man sich aufhalten, einen Kaffee trinken und Leute treffen könnte.

Insbesondere grenzübergreifend fehlt eine gute Anbindung für den Langsamverkehr. Es gibt keine sinnvolle ÖV-Verbindung: Von Gamprin nach Haag braucht man etwa 45 Minuten mit ÖV, man könnte also genau so gut zu Fuss gehen. Ich würde mir wünschen, dass man nicht für alles ins Auto steigen muss.»

Balzers

«Balzers ist etwas sehr eigenes. Landschaftlich ist es rundherum schön eingebettet. Grenzübergreifend hat man Berührungen mit Trübbach und Sargans und denkt – für Liechtenstein wenig typisch – über den Rhein hinaus hinaus. Balzers hat eine unheimliche Attraktivität mit dem Rhein, dem Ellhorn und der wunderschönen Sicht von Luziensteig auf Burg Gutenberg.»

«Durch Balzers führen auffallend viele Wassergräben, die schön durch die Gemeinde führen. Die könnte man nutzen und beleben. Dort könnte man tatsächlich im Dorf selber am Bach entlang laufen. An heissen Sommertagen haben sie zudem einen kühlenden Effekt. Parallel könnte man das Zentrum attraktiver gestalten. Ein wesentlicher Punkt dabei wären sicher kleine Lädile im Dorf anstatt der aktuellen Konzentration auf den Roxy, der leider etwas ausserhalb ist. Zudem hat Balzers noch eine gewisse Baukultur und ist noch nicht so urban wie Schaan. Diese Ställe, die noch so im Dorf stehen empfinde ich als Qualität von Balzers. Man könnte sie durch sanftes Upcycling noch etwas aufwerten und damit sicher einiges rausholen aus dem verschlafenen aber schönen Dörfchen.»

Ruggell

«Was Ruggell sehr auszeichnet, ist die Nähe zur Natur. Man hat den Rhein in der Nähe, man hat ein wunderschönes Riet und auch der Wald ist nicht weit. Die Radwege im Riet sollten so erweitert werden, damit es dort Rad- und Kinderwagenfreundlicher wird. Was auf jeden Fall nicht möglich sein wird ist eine U-Bahn, einfach weil Ruggell doch ein Sumpf ist.»

«Ruggell ist sehr kinderfreundlich: Die Hauptstrasse geht eher am Rand vorbei und nicht wie in anderen Gemeinden mitten durch das Dorf. Durch eine zusätzliche Beruhigung von Quartierstrassen könnte dieser Vorteil genutzt werden und die Strasse wieder mehr zum Lebensraum werden.»

Triesen

«Wir Triesner sind alle Mostbölli, nicht nur unsere Guggamusik. In Triesen hat es früher Leute gegeben, die im Jahr alleine 3.500 Liter Most getrunken haben. Das könnt ihr euch einmal auf den Tag ausrechnen… und heute keine einzige Mosterei mehr! In den letzten Jahren haben wir in Triesen etwa 500 Äpfel- und Birnbäume gepflanzt. Das ist, denke ich, ein guter Anfang. Damit wir aber zu unserer Wesensart zurückfinden können, bräuchten wir meines Erachtens dringend wieder eine Mosterei.»

Schaan

«Die Kernkompetenzen von Schaan sind aktuell sicher das Soziale und die Kultur. Wir haben ein Kino, wir haben sehr viele Beizen und Baren, wo man ausgehen und sich treffen kann. Zudem haben wir recht viele Arbeitsplätze, wodurch viele Leute herkommen und den ganzen Tag im Dorf verbringen. Schön wäre ein Naherholungs- und Naturschutzgebiet beim Rhein, also eine Rheinaufweitung. Auch die Radwege im Dorf sind noch stark verbesserungsfähig. Zudem fänden wir es wünschenswert, dass der Industriezubringer von der Hilcona weiter bis zum Rhein hinausgezogen würde, damit nicht mehr der ganze Verkehr durchs Dorfzentrum muss. Ansonsten schätzen wir es sehr, dass Schaan dieses Zentrum wirklich hat, wo man Einkaufen oder essen gehen kann.»

Vaduz

«Wir in Vaduz haben das Städtle als Zentrum. Leider ist es recht auf Touristen ausgelegt. Es gibt diverse Schmuckgeschäfte, in die kein normaler Liechtensteiner geht, wenn wir einmal ehrlich sind. Es bräuchte vielleicht mehr kleine Läden, die der Nahversorgung dienen, aber auch Wohnraum im Zentrum. Vielleicht würde man dann all die Menschen, die momentan in ihren Autos Richtung Sargans oder Buchs fahren, auch im Städtle wieder sehen.»

Planken

«Wir schlagen einen Panoramateich für Planken vor, natürlich mit einem natürlichen Reinigungsbecken wie beim Badesee in Gamprin. Dazu braucht Planken einen kleinen Platz, wo man einen Kaffee trinken oder ein Brötchen holen könnte. Ein Wanderkiosk würde genügen, und wäre ohne grossen Aufwand realisierbar. Um nach Badespass, Panorama- und Kaffeegenuss wieder zügig und ökologisch ins Tal zu kommen, schlagen wir einen Flying-Fox vor.»

Eschen

«Eschen könnte das Kulturzentrum für ältere Menschen werden. In unmittelbarerer Nähe zueinander haben haben wir das Hallenbad, wo man Physiotherapie etc. für ältere Menschen anbieten könnte. Ausserdem die Musikschule und die Bücherei Omni, die zusammen genommen bereits einiges bieten. Würde man das noch ausbauen, könnte man sicher ein Zentrum mit hoher Lebensqualität für ältere Menschen schaffen.»

Mauren

«Das Zentrum von Mauren ist für uns heute schon der Weiherring. Diesen könnte man aber mit Pubs, Cafés, einem Markt und vielleicht einem Badesee aufwerten. S- oder U-Bahn-Anschlüsse von Feldkirch über Schaanwald nach Mauren bis nach Eschen fänden wir auch eine gute Sache.»

Schellenberg

«Schellenberg braucht bessere Busverbindungen. Busse sollten häufiger und auch direkt nach Österreich fahren. Weiters wäre ein attraktiveres Zentrum wünschenswert. Es gibt zwar ein Dorfzentrum in Schellenberg, aber es läuft nicht viel. Ein Gemeinschaftsgarten, wo man hingehen und miteinander arbeiten könnte, würde dem Gesellschaftsleben gut tun. Das wäre vielleicht in der Nähe des Klosters gut möglich.»


Gespräche über Landwirtschaft

«Den Nicht-Biobauern sollte man keine Subventionen mehr geben. Den Schlachthof in Bendern, also die Fleischfabrik, sollte man abreissen und einen Garten daraus machen, wo alle Schulklassen kommen könnten und jede ihr Gärtchen hätte. Und mitten drinnen ein grosses Denkmal, allen Tieren gewidmet, die dort geschlachtet wurden.»

«Ich habe das Gefühl, dass es schwierig ist, einem Bauern genau zu sagen, wie er sein Land zu bewirtschaften hat, weil er sowieso einer der Schwächeren ist. Die Industrie, die Casinos und teilweise auch das Gewerbe dürfen aussiedeln. Sie sitzen auf unseren Grundwasserreserven und wenn Unfälle mit Hochwassern passieren, wäre das für das Land prekär. Deshalb bin ich grundsätzlich dagegen, noch mehr Druck auf die Landwirtschaft auszuüben.»

«Ich wäre für eine Einschränkung der Landwirtschaft zugunsten einer Renaturierung und Aufweitung der Rietgebiete, damit vielleicht ausgestorbene Blumen und Tiere wieder zurückkommen.»

«Sport in der Landwirtschaftszone ist für mich ein Unding: die Landwirtschaftszone ist noch ein ziemlich grosses Rückzugsgebiet für unser Wild. Wenn wir jetzt dort den Sport auch noch hineintragen, sind sie nebst den grossen Maschinen, dem Ernten usw. noch mehr gestört.»

«Die Bauern schauen, dass die Bauzonen nicht zu sehr ausgedehnt werden. Die Landwirte sind auch unsere Raumpfleger. Wenn wir die Landwirtschaft zu Gunsten von Naturschutzgebiet aufgeben, weiss ich nicht, wie lange es geht bis sich die Bauzonen wieder ausweiten.»

«Wollen wir überhaupt eine Landwirtschaftszone? Wollen wir selbst noch etwas produzieren? Wenn nicht, dann könnt ihr das alles vergessen, dann machen wir einen Sumpf — aber wenn wir uns zumindest teilweise noch selbst ernähren wollen, brauchen wir diese Landwirtschaftszone schlichtweg.»

«Wir sagen immer, die Bauern müssten umweltgerecht produzieren. Aber ganz ehrlich: Wer von euch zahlt den doppelten oder dreifachen Preis, wenn wir keinen Maschineneinsatz mehr haben? Praktisch 100% im Land wirtschaften schon nach IP-Standards. Es ist zwar noch nicht überall biologischer Landbau, aber in diese Richtung passiert schon vieles.»